Rainer Strecker
Rainer Strecker war seiner Zeit um Jahre voraus und schraubte sich auf den klapprigen Quarterpipes der 80er in Höhen, die eigentlich den amerikanischen Vollprofis vorbehalten waren.
Angeregt durch einen Artikel im "Stern" kaufte sich Rainer 1981 in einem Kaufhaus ein BMX-Rad der Marke Pfander, Typ "St. Tropez". Die Freude währte nicht lange, denn bereits zwei Wochen später musste er das gute Stück mit verbogenem Ober- und Unterrohr zurückgeben.
Doch er fand Gefallen an den Sprüngen und der Höhe und tauschte das St. Tropez gegen ein nagelneues Redline Proline. Mit seinem Kumpel Matthias Schönleber besuchte Rainer die BMX-Strecken in der Umgebung und die beiden bauten sich aus Schalbrettern Rampen. Als dann Ende 1983 das BMX Action Magazin die berühmten Pläne zum Bau einer Quarterpipe veröffentlichte, war es keine Frage: Sofort wurde das 1,88 m hohe Schmuckstück nachgebaut und auf einen Wendehammer in Degerloch bei Stuttgart - dem Wohnort von Rainer und Patrick Penkwitt - gestellt. Rainer hatte Patrick einige Zeit zuvor kennen gelernt, als er mit wallenden Haaren und schulterfreiem T-Shirt ebenfalls auf einem Redline durch den Ort fuhr. Bald stieß auch Patricks Schulkamerad Thomas Rank dazu und so bildete sich das spätere PTR-Trickteam.
Die drei trainierten wie verrückt auf ihrer neuen Rampe, die den Belastungen nicht immer klaglos stand hielt. Sie fingen an, erste Shows in Stuttgart und Umgebung zu fahren und machten sich schnell einen Namen als die besten Freestyler der Gegend.
Nachdem ein Familienurlaub mit Patricks Eltern die drei zufällig in die Nähe des Pipeline Skateparks in Upland führte, war das Feuer endgültig entfacht: Rainer fuhr die gnadenlosen Löcher des berühmten Skateparks und die Rampe im Hinterhof des Wizard Verlags, wo auch das altehrwürdige BMX Action Magazin entstand. Sie trafen Tony Murray und Eddie Fiola und fuhren eine Show für Bob Haro, der sie direkt sponserte.
Zurück in der Heimat nahm der Plan einer eigenen BMX-Marke Gestalt an und PTR startete richtig durch: Mit dem Bus von Patricks Eltern tourten die drei durch ganz Deutschland, füllten die Seiten der Zeitschrift "Speed" und traten im überregionalen Fernsehen auf. Zu Hause suchte Rainer derweil nach besseren Trainingsbedingungen: Auf dem Parkplatz des Freibads in Möhringen bei Stuttgart hatten einige Skater um 1985 eine Halfpipe gebaut, die bis auf ein paar Belagplatten komplett aus Baustellenholz bestand. Diese Rampe wurde zwar von einem Mitarbeiter des Kur- und Bäderamtes Stuttgart großzügig genehmigt, aber als der gute Mann nach ca. einem Jahr das erste Mal vor Ort war und die Ausmaße der 3 Meter hohen Rampe sah, wurde das Projekt sofort gestoppt und die Rampe abgerissen. Auf dieser Rampe ist auch das berühmte Poster aus der BMX Sport entstanden.
Doch Rainer und die Halfpipe-Skater aus dem Stuttgarter Raum hatten Glück: Das Fahrradgeschäft "Lutz" in Böblingen schaffte fast übergangslos Platz auf seiner großzügigen Lagerfläche und so wurde eine neue Halfpipe gebaut. Auch hier ging das Engagement hauptsächlich von den Skatern aus, aber in Stuttgart gab es keine Rivalität zwischen den beiden Gruppen und so nahm Rainer das Angebot zum Fahren dankend an.
Nachdem Patrick, Thomas und Rainer 1986 gemeinsam beschlossen, das PTR-Trickteam zu beenden und die Rahmenproduktion einzustellen, fuhr Rainer noch einige Zeit für Haro, stellte sich 1987 der Konkurrenz im Kölner Jugendpark und nutzte eine weitere USA-Reise um nach Upland und der legendären "T.O.L."-Halfpipe, die er auf dem zweiten USA-Trip des Teams besuchte, auch Ron Wilkersons "Enchanted Ramp" auf der wohl ultimativen BMX-Bucket-Liste der mittleren 80er abzuhaken. Gegen Ende des Jahres 1987 beendete aber auch er seine Karriere und das Kapitel "PTR" war endgültig Geschichte.
Heute lebt Rainer mit seiner Familie in Kalifornien und freut sich, wenn ihn sein Weg mal wieder durch Torrance, Leucadia oder Upland führt. Die Sehnsuchtsorte der Jugend sind für ihn zur Heimat geworden.
Rainer Strecker wurde 2024 für seine Leistung als wohl erster ernstzunehmender Vertfahrer Deutschlands in die Deutsche BMX Hall Of Fame aufgenommen. Er ist der einzige deutsche Rampenfahrer, der die goldenen Jahre der kalifornischen Freestyle-Stars aktiv miterlebte, die Pilgerstätten der 80er Jahre besuchte und es als Mitglied des PTR-Trickteams in die heiligen Seiten des Freestylin' Magazins schaffte. Hierzulande verhalf er dem jungen Sport durch unzählige Shows und zahlreiche Fernsehauftritte, die er mit seinen beiden Teamkollegen unter manchmal widrigen Umständen absolvierte, zu landesweiter Aufmerksamkeit. Auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere ist Rainer ein gern gesehener Gast bei Oldschool Reunions und Freestyle Contests. Vielen Dank für Deinen Beitrag, Rainer Strecker.