Jan Klostermann

Eigentlich waren es die beiden Onkel der Klostermann-Brüder, die den Grundstein für Jans BMX-Karriere legten: Sie fuhren schon in den 60er Jahren mit umgebauten 24-Zoll-Rädern durch die Wälder und stellten Jan das Rad für sein erstes Rennen zur Verfügung.
Doch zunächst fuhren Jan und sein Bruder Harald mit ihren Jugendfahrrädern durch den Knoops Park im Bremer Norden, unweit der Stelle, an der später die BMX-Bahn entstehen sollte. Harald entdeckte das Fahrradgeschäft von Ekkehardt Teichreber und begann, inspiriert von dem, was er dort sah, alle überflüssigen Teile von seinem Rad zu entfernen. Denn bei Teichreber entwickelte sich langsam eine BMX-Szene: Auf einer Brachfläche neben dem Laden sprangen ein paar Jungs auf einem Holzbrett um die Wette. Jan war begeistert und ein willkommener Gast: ein Fliegengewicht, das es auf erstaunliche Weiten brachte.
Das war 1980 und die ersten BMX-Räder und -Teile fanden langsam ihren Weg nach Bremen. Ekkehardts Sohn Andreas Teichreber hatte das wahrscheinlich erste BMX-Rad Bremens und Teichreber selbst fuhr regelmäßig mit seinem Kadett GSI in die Niederlande, um dort Gerrit Does und Pierre Karsmakers zu treffen, die den BMX-Sport aus den USA importiert hatten. Wenn er zurückkam, war sein Kofferraum stets voll mit BMX-Teilen und -Rahmen, die reißenden Absatz fanden. Jan bekam von seinem Onkel ein 20-Zoll-Kinderrad, das er zu einem „richtigen“ BMX-Rad umbaute: Eine mit Schellen befestigte Querstrebe im Lenker, ein paar neue, viel zu schwere Stahlfelgen und natürlich anständige Stollenreifen mussten sein.
Seine Heimat bekam der Bremer BMX Sport dann ausgerechnet, als Jan und Harald mit ihrer Mutter im vierwöchigen Sommerurlaub waren: Ekkehardt hatte von einem Freund im Bauamt eine Wagenladung Erde und das berühmte Stück Land am Grohner „Oeversberg“ bekommen und innerhalb kürzester Zeit den Grundstein für die erste BMX-Bahn Deutschlands gelegt.
Den Niederländern nacheifernd begann der stets pragmatische Teichreber Anfang 1981 direkt mit den Vorbereitungen für das erste Rennen. Ein Megaphon, einige Meter Flatterband und ein paar Neptunhaken sollten genügen, um dem Ganzen einen offiziellen Anstrich zu verleihen. Neben der inzwischen beachtlichen Szene am Oeversberg kamen auch Gäste aus Köln und Frankfurt zu den spannenden Rennen. Auch Jan war am Start, der damals noch mit einer Flatterleine statt eines Gatters durchgeführt wurde. Die Grenzen seines umgebauten Kinderfahrrads waren allerdings eng, sodass er keine Chance gegen die Konkurrenz hatte, die bereits auf Redline oder Mongoose unterwegs war.
Doch die Rettung nahte: Die Konfirmation spülte Geld in die Kasse der Klostermänner, und nachdem Jan das zweite Rennen auf einem geliehenen Rad von Teichreber gewonnen hatte, investierte er zusammen mit seinem Bruder in einen nagelneuen roten RaceInc.-Rahmen und ein Sammelsurium aus neuen & gebrauchten Teilen. Sie teilten sich das 700 DM teure Rad und starteten so in die BMX-Saison 1981.
BMX war alles. Die großartigen Fotos der Profis in den amerikanischen Magazinen, die Besuche der Berliner, von denen viele schon krasse Räder wie JMC und Hutch hatten. Die ersten Auswärtsrennen, zu denen Jan im 50 PS-Bulli von Wolfgang Fritscher über die Kasseler Berge kroch, um am nächsten Tag pünktlich vor Ort zu sein. All das trug zur Faszination des neuen Sportes bei, der mit dem Erscheinen des Filmes ET endlich durch die Decke ging. Der Centurion Super Cup, eine von Teichreber und Wolfgang Renner organisierte Rennserie, verlief für Jan zwar nicht so zufriedenstellend, aber schon 1982 gewann er fast alle Rennen, an denen er teilnahm.
Den deutschen Meistertitel Ende 1982 verpasste er um nur einen Punkt und musste sich mit dem Vize begnügen. Dafür war er bei der allerersten Europameisterschaft im niederländischen Beek-En-Donk dabei, eine großartige Erfahrung für ihn und die gesamte deutsche BMX Szene, die zwar in den Rennen kaum Chancen hatte, aber einen ersten Eindruck von BMX Rennen auf der internationalen Bühne bekam und Blicke auf amerikanische Profis erhaschen durfte.
Der Race Inc.-Rahmen hatte mittlerweile das Zeitliche gesegnet und Jan wechselte kurz auf den altbekannten, schweren Mongoose-Rahmen von Andreas Teichreber, bevor er sich Anfang 1983 bei Fritscher seinen ersten GT-Rahmen kaufte. Mit neuem Rad und frischen GT-Klamotten, die er von Andreas "Elle" Gillmeister übernommen hatte, gewann Jan die deutsche Meisterschaft 1983 vor heimischer Kulisse, obwohl ihn die damalige Klasseneinteilung in eine Gruppe mit älteren Fahrern zwang. Doch das war Jan gewohnt, denn die meisten seiner Trainingspartner waren ein bis zwei Jahre älter als er. Als oft kleinster Mann am Start hatte er gelernt, seine fehlende körperliche Masse mit Technik und Trittfrequenz auszugleichen.
BMX hatte in Bremen-Grohn mittlerweile beträchtliche Ausmaße angenommen. Der 1981 von Teichreber ins Leben gerufene „Vegesacker BMX Club“ wurde mit dem Einzug des BDR in BMX zu einem echten Verein und auch Jans Mutter Margarete Schmidtmann wurde vom Geschehen vereinnahmt. Sie wurde zur Schriftführerin des Vereins ernannt und übernahm später die Aufgabe, den BDR im internationalen Dachverband IBMXF zu vertreten. Außerdem war sie für die Nummernvergabe im Landesverband Bremen zuständig, und damit vielleicht auch für die auffällig hübschen Startnummern ihres Sohnes.
Auf einer Klassenfahrt nach Berlin besuchte Jan Anfang 1984 Michael Müllmann in dessen Shop Instant Funk, der ihm eine Co-Factory-Sponsorschaft für GT anbot. Jan war überglücklich. GT war schließlich immer seine Marke gewesen. Er mochte die Farben, und Greg Hill war vielleicht der einzige Fahrer, der für ihn so etwas wie ein Idol war. Jan fuhr viele Rennen, gewann den Ostercup und stieg in den GT-Full-Factory-Status auf. Es folgte die Teilnahme an der Europameisterschaft in Birmingham, bei der Jan im Halbfinale an erster Stelle liegend vom späteren Weltmeister von 1985, Geoff Schofield, völlig sinnbefreit zu Fall gebracht wurde. Rückblickend war er mit dem Jahr nicht so richtig zufrieden. Er schloss die DM in Weiterstadt mit einem 7. Platz ab und widmete sich über den Winter wieder dem Training.
Denn der Sport erforderte mittlerweile ein strammes Trainingspensum. Neben dem Schulsport und den Trainingseinheiten mit dem „Schleifer“, wie sie ihren Trainer, Detlef Gotter, liebevoll nannten, ging er im Knoops Park laufen und schlich sich abends in Teichrebers Keller, wo einige selbstgeschweißte Trainingsgeräte standen. Das Abitur stand vor der Tür und Jan arbeitete hart, um alles unter einen Hut zu bekommen. Aber es sollte sich lohnen. Im Juni des Jahres holte er sich in Itzehoe den Deutschen Meistertitel, nachdem nahezu jeden seiner Läufe gewonnen hatte. Kurz darauf ging es zur Europameisterschaft nach Barcelona und danach direkt in die USA, wo er im Großraum LA Rennen fuhr und mit dem GT-eigenen Winnebago-Wohnmobil zur Weltmeisterschaft nach Whistler in Kanada reiste. Völlig geflasht von diesen Erlebnissen kam er zurück ins beschauliche Bremen. Das Jahr konnte er dann mit einem zweiten Platz beim Herbstpokal abschließen, aber er spürte, wie ausgebrannt er langsam war. Um ihn herum wurde die Freizeit genossen und gefeiert, während er bei Wind und Wetter an jedem scheiß Dorfrennen teilnehmen musste. Das Abi schaffte er mit Ach und Krach, aber an Geld verdienen war mit BMX nicht zu denken. Im Gegenteil: Die mageren Siegprämien, die es manchmal bei Rennen gab, wurden durch Anreise, Übernachtung und Startgeld doppelt aufgefressen. Er bekam von seinem Sponsor wenig Unterstützung, um an internationalen Rennen teilzunehmen. Es war ein ständiger Hussle und irgendwann merkte Jan, dass es außerhalb der BMX-Welt vergleichsweise einfach war, mit irgendwelchen Jobs mal eben 100 Mark zu verdienen. Zumindest musste man dafür nicht ein halbes Jahr trainieren.
Anfang 1987 musste er seine GT-Factory-Klamotten zwar zurückgeben, wechselte aber trotzdem in die Superclass, in der er im Herbstpokal einen respektablen sechsten Platz in Jeans einfuhr. Nachdem er erfolglos versucht hatte, seine Wehrpflicht als BMXer in einer Sportkompanie zu erfüllen, hängte er das BMX-Rad an den Nagel und widmete sich seiner Ausbildung zum Automobilmechaniker sowie dem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik. Heute arbeitet Jan als Key Account Manager und schraubt in seiner Freizeit gerne an alten Motorrädern. Über diverse Internetforen hält er weiter Kontakt zur Old-School BMX Szene. Geblieben ist ihm aus der BMX-Zeit vor allem die internationale Gemeinschaft und die Lust, fremde Länder und Kulturen kennen zu lernen. Aber auch seinen Ehrgeiz und die Fähigkeit, sich durchzubeißen und dranzubleiben, wenn er etwas erreichen will, schreibt er seiner Zeit auf dem Rad zu.
Als einer der ersten BMX-Racer Deutschlands hat Jan Klostermann den Sport von der lose gespannten Leine bis zum vollautomatischen Gatter mit Ampelanlage begleitet. Er prägte das Renngeschehen der Achtziger mit seinem unverwechselbaren Stil und der beindruckenden Trittfrequenz und wurde dafür 2025 in Deutsche BMX Hall Of Fame aufgenommen.
- Geboren 1968
- Erstes Rennen in Bremen im Juni 1981
- Deutscher Vizemeister 1982
- Deutscher Meister 1983
- Deutscher Meister 1985